Das Montafon "unterm Hitler"

Das Montafon "unterm Hitler"

© Montafon Archiv

Ab 30. Juni 2020 - Anlässlich des 75. Gedenkjahres an die Befreiung vom NS-Regime steht heuer in den Montafoner Museen die regionale Geschichte der Jahre 1938-45 im Fokus. Die Ausstellungsserie erstreckt sich über alle vier Museen 

Im Heimatmuseum Schruns stehen neben der politischen Geschichte der NS-Zeit im Montafon auch Aspekte wie Jugend und Schule, Kunst und Volkskultur sowie die Entnazifizierung im Fokus. In Gaschurn wird der Entwicklung des Tourismus sowie den engen Beziehungen zwischen Alpinismus, Wintersport und Nationalsozialismus nachgegangen. Im Frühmesshaus Bartholomäberg wir anknüpfend an den letzten dort wirkenden Frühmesser Josef Plangger, der mehrere Jahre in Konzentrationslagern überlebte, den Themen Widerstand und Verfolgung breiter Raum gegeben. Im Bergbaumuseum Silbertal wird schließlich die Geschichte der „Aufbaugenossenschaft“ sowie der Landwirtschaft zwischen Ideologie und Krieg beleuchtet.

Heimatmuseum Schruns – Alltag unter dem Hakenkreuz

Alpin- und Tourismusmuseum Gaschurn – Alpinismus und Tourismus

Museum Frühmesshaus Bartholomäberg – Widerstand, Flucht und Verfolgung

Bergbaumuseum Silbertal – (Land)wirtschaft im Krieg

Ausstellungsdauer: Juli 2020 bis Juni 2021 zu den jeweiligen Öffnungszeiten.

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28 NS-Erinnerungsorte im Montafon

 

Zahlreiche Gebäude, Örtlichkeiten und Ausstellungen im Montafon haben mit der Zeit des NS-Regimes zu tun. Auf der Karte sind einige davon verzeichnet:
 

NS-Erinnerungsorte

 

1  Bartholomäberg Armenhaus
Jene Personen, die im Rahmen der "Vernichtung unwerten Lebens" durch das NS-Regime ermordet werden sollten, wurden im ehemaligen Armenhaus Bartholomäberg untergebracht und von dort abgeholt. Die Leiterin des Armenhauses, Schwester Tolentina, konnte noch sechs von dreizehn Deportierten zurückholen. Die anderen wurden in Hartheim und Niedernhart ermordet.

2  Bartholomäberg Gemeindeamt
In den Gemeinden Bartholomäberg und Silbertal wurde eine sogenannte Aufbaugenossenschaft, die den nationalsozialistischen Aufbau der Berglandwirtschaft zum Ziel hatte, eingerichtet. Im Zuge des Aufbaus wurde u.a. eine Materialseilbahn von Schruns nach Bartholomäberg erbaut. Das heutige Gemeindeamt vom Bartholomäberg befindet sich in der ehem. Bergstation dieser Seilbahn.

3  Bartholomäberg Widum Innerberg
Der aus Vandans stammende Priester Dr. Josef Plangger wirkte 1940 als Kurat in Innerberg, als er am Fronleichnamstag 1940 um 9 Uhr einen Gottesdienst zelebrierte, obwohl laut NS-Verordnung der Hauptgottesdienst um 8 Uhr bereits hätte beendet sein sollen. Er wurde von der Gestapo festgenommen und äußerte bei der Vernehmung, dass der Feiertagsgottesdienst eine innerkirchli che Angelegenheit sei und die Gestapo nichts angehe. Daraufhin wurde er für drei Wochen ins Bludenzer Gefängnis gesperrt. Nach einem Gauverweis wurde er 1941 in "Schutzhaft" genommen und überlebte bis 1945 die Konzentrationslager Buchenwald, Natzweiler und Dachau.

4  Schruns Batloggdenkmal
Die NSDAP versuchte das Gedenken für die gefallenen Soldaten dem kirchlichen Mlieu zu entziehen und so wurden oft Kreuzsteckungen für die zumeist fern der Heimat gefallenen Wehrmachtsangehörigen an einem profanen Ort zelebriert. In Schruns wurde zu diesem Zweck die "Kriegergedenkstätte" beim Batloggdenkmal eingerichtet. Mit Fortdauer des Krieges wurde der Wald aus Kreuzen immer größer.

5  Schruns Heimatmuseum "Zelle"
In der letzten noch im Original vorhandenen Zelle des ehem. Gefängnisses von Schruns waren zwischen 1938 und 1945 zahlreiche Flüchtlinge sowie ZwangsarbeiterInnen eingesperrt. In diesem Raum befindet sich heute eine Installation bzw. Dokumentation zum Thema "Zwangsarbeit im Montafon".

6  Schruns Kriegerdenkmal Pfarrkirche
Das Kriegerdenkmal an der Fassade der Pfarrkirche St. Jodok wurde von Konrad Honold entworfen und umgesetzt. Es erinnert daran, dass auch viele Kriegsteilnehmer zu den Opfern des Krieges bzw. des NS-Regimes zu zählen sind.  

7  Schruns Josefsheim  
Im ehemaligen Armenhaus und späteren Krankenhaus mit Geburtsstation befand sich gegen Kriegsende, als die Front immer näher rückte, ein Lazarett. Noch im Jahr Frühjahr 1945 wurden Personen, die einer vermeintlich verfolgten Französin Fluchthilfe leisten wollten, von dieser denunziert und daraufhin vom NS-Regime verhaftet. Ein Helfender - Josef Tschofen - verstarb während der Untersuchungshaft in Feldkirch.

8  Schruns Batlogghalle
Die vom deutschnational ausgerichteten Schrunser Turnverein errichtete Halle diente mehrfach als Propagandaort der NSDAP. So fand hier etwa die große Kundgebung vor der Volksabstimmung vom 10. April 1938 über den Anschluss Österreichs an NS-Deutschland statt. Auch wurden hier die sogenannten "Verpflichtungstage" der Hitlerjugend durchgeführt.

9  Latschau Kraftwerksanlagen  
Vom Kriegsgefangenen- bzw. Zwangsarbeiterlager Latschau aus versuchten immer wieder Männer in die nahe Schweiz zu fliehen. Wenigen gelang die Flucht über die streng bewachten Berge, viele wurden gefasst und hatten schwere Konsequenzen - bis zur Einlieferung in ein KZ - zu gewärtigen.

10  Rodund Kraftwerksanlagen  
Auch in Rodund waren viele Kriegsgefangene und Zwangsarbeitskräfte beim Ausbau der Wasserkraft im Einsatz. Ein Zwangsarbeiter aus Polen, Konstantin Przygoda, wurde 1941 auf der Baustelle von der Gestapo ohne Gerichtsprozess hingerichtet. Laut den damaligen Angaben hatte er sich "sittlicher Verfehlungen" schuldig gemacht. Mehrere Zeitzeugen berichten jedoch von anderen Hintergründen, etwa dem Umstand, dass er eine Beziehung zur Tochter eines NS-Funktionärs pflegte.

11  Vandans Rellstal  
Im Rellstal bei Vandans wurde 1944 der Hilfszollbetriebsassistent Wilhelm Tschabrun durch einen Schuss getötet. Ein Vorarlberger aus Hohenweiler war desertiert und verkehrte über die Berge zwischen Vorarlberg und der Schweiz. Bei einem Grenzübertritt traf er auf Tschabrun und schoss auf diesen. Tschabrun verstarb an Ort und Stelle, der Täter wurde 1949 ausgeforscht und vor Gericht gestellt.

12  Silbertal Erinnerungsplatz
Vor der Silbertaler Kirche stand von 1968 bis 2009 das Ehrenmal für Silbertaler Soldaten. Dann wurde bekannt, dass der als gefallen ausgewiesene SS-Scharführer Josef Vallaster tatsächlich an der Ermordung tausender Menschen in der Tötungsanstalt Hartheim und im Vernichtungslager Sobibor aktiv beteiligt gewesen war. In weiterer Folge gründete die Gemeinde eine Geschichtswerkstatt, deren Arbeit
in den heute bestehenden Erinnerungsplatz mit der Nennung der weiteren Opfer des NS-Regimes mündete. 

13  Silbertal Bauhof  
Unweit der Talstation der Kristbergbahn befand sich 1942-45 ein Zwangsarbeiterlager, in dem vor allem Zwangsarbeitskräfte aus der Ukraine untergebracht waren. Diese hatten für die Aufbaugenossenschaft Bartholomäberg-Silbertal zu arbeiten und schufen bleibende Infrastrukturen für das Silbertal - z.B. die Kristbergbahm, die als Materialseilbahn errichtet worden war.

14  St. Gallenkirch Barbischhaus
Im Ortskern von St. Gallenkirch findet sich das stattliche Barbisch-Haus (benannt nach der Wundarztfamilie Barbisch). Während der NS-Zeit lebte hier der Fluchthelfer Meinrad Juen, der 42 Jüdinnen und Juden über die Grenze in die Schweiz brachte. Ab 1942 wurde er von der Gestapo gesucht und musste untertauchen. Bis Kriegsende blieb er im Untergrund in St. Gallenkirch - oft auch in diesem Haus - und wurde nicht verraten. 

15  St. Gallenkirch ehem. Schulhaus
Im ehemaligen Schulhaus von St. Gallenkirch (heute Silvretta Center) befand sich auch der Gemeindearrest ("Kiecha"). In diesen wurden mehrfach Flüchtlinge, die vor dem Grenzübertritt aufgegriffen worden waren, eingesperrt. Auch die jüdischen Schwestern Elisabeth und Martha Nehab aus Berlin versuchten 1942 der Deportation in ein Vernichtungslager zu entgehen und wollten die Gebirgsgrenze zur Schweiz überqueren. Nachdem sie beim Grenzübertritt festgenommen worden waren, nahmen sie sich in der ersten Nacht in der "Kiecha" aus Verzweiflung das Leben.

16  St. Gallenkirch Alpe Zamang
In St. Gallenkirch rückten ab Sommer 1944 immer mehr Wehrmachtssoldaten, die auf Rekonvaleszenz oder Urlaub nach Hause kamen, nicht mehr wieder ein, sondern versteckten sich im Dorf bzw. in der Umgebung mit Unterstützung durch ihre Angehörigen sowie die lokale Widerstandsgruppe unter der Leitung von Martin Salzgeber und Stefan Spannring. Einer der Deserteure war Jakob Netzer, der sich mit mehreren anderen zuerst am Maisäß Tanafreida und schließlich im Bereich der Alpe Zamang vor den Nachstellungen der Polizei, Feldgendarmerie und Gestapo.

17  St. Gallenkirch Rüti
Am Beginn des Gargellentales befand sich unterhalb des Maisäß Rüti das Zwangsarbeiterlager "Suggadin". Dieses wurde gegen Kriegsende in ein sogenanntes „Wehrertüchtigungslager“ umfunktioniert. Jugendliche absolvierten hier erste vormilitärische Ausbildungen, um dann noch zum Kriegsdienst eingezogen werden zu können.

18  Gargellen ehem. Zollhaus
Gargellen war einer der wichtigsten Orte, von denen aus Flüchtlinge in die Schweiz zu gelangen versuchten. Schon unmittelbar nach dem sogenannten Anschluss kam es zu Grenzübertritten politisch Verfolgter. Vom ersten Tag an scheiterten diese aber auch teilweise und endeten mit der Einlieferung in ein KZ bzw. mit dem Tod. Ein erstes prominentes Opfer der Grenze bei Gargellen war der SChriftsteller Jura Soyfer aus Wien.

19  Gargellen Hotel Madrisa
Der später nach Australien ausgewanderte Claus Mayer, der im Sommer 1989 im Hotel Madrisa in Gargellen das fünfundvierzigste Jubiläum
seiner geglückten Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschen Reich feiern konnte war als Bergsteiger in den 1930er-Jahren mehrmals in Gargellen gewesen und hatte bis 1942 als Offizier in der deutschen Wehrmacht gedient. Als jedoch ein nichtarischer Großelternteil in seinem Stammbaum entdeckt wurde, musste er die Flucht ergreifen, während seine Eltern vor der Deportation in ein Konzentrationslager den Freitod wählten. Er kam bis nach Gargellen und kam bei Bertram Rhomberg im Hotel Madrisa unter. Es gelang ihm der Grenzübertritt nach St. Antönien.

20  Gargellen Friedhof
Widersprüchliche Zeitzeugenberichte und Dokumente überliefern die Geschichte des deutschen Deserteurs Nikolaus Staudt, der sich 1944 einem einheimischen Fluchthelfer anvertraute, um sicher in die Schweiz zu gelangen. Der Schlepper gab vor, Staudt helfen zu wollen und führte ihn aufs Gafierjoch bei Gargellen, wobei er allerdings zuvor die Grenzschutzbeamten über den Fluchtversuch informiert hatte. Nikolaus Staudt wurde im Zuge der Verhaftung durch eine Schusswaffe tödlich verwundet und drei Tage später in Gargellen spätabends begraben.

21  Gortipohl Alpenjugendheim
Der Theologe Emil Fuchs, der sich als aktives Mitglied des Bundes der religiösen Sozialisten Deutschlands führend im Widerstand engagiert hatte, hatte 1943 mit seinem Enkel Klaus Fuchs-Kittowski Berlin verlassen und in Gortipohl eine Unterkunft gefunden. Im Alpenjugendheim bei Familie Kuschkowitz fanden mehrfach Hausdurchsuchungen durch die Gestapo statt, da Fuchs weiterhin im Untergrund tätig blieb. Es konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden.

22  Gaschurn Rifa  
Zwischen Gaschurn und Partenen befand sich ein Wehrmachtsstraflager. Die Inhaftierten trugen schäbige Wehrmachtsuniformen, die Aufschläge waren abgetrennt. Diesen Wehrmachtsangehörigen wurden zu strengen Arbeiten eingesetzt. Ihre Unterkunftsbaracken waren mit hohen Stacheldrahtzäunen umgeben. Scharfe Wachhunde wurden von den Bewachungsposten mitgeführt. Als Delikt gaben die Gefangenen zumeist an, dass sie zu spät eingerückt seien.

23  Partenen energie.raum
Im energie.raum in Partenen wird neben zahlreichen Aspekten der Energiewirtschaft auch die Zwangsarbeit auf den Illwerke-BAustellen während der NS-Zeit thematisiert.

24  Partenen Barbarakapelle
In der Barbara-Kapelle auf der Bielerhöhe wird den auf den Baustellen ums Leben Gekommenen - insbesondere den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen - gedacht.

25  Partenen Silvrettasee  
Der Silvrettastausee auf der Bielerhöhe wurde wesentlich mit der Arbeitskraft 1000er Zwangsarbeitskräfte errichtet. Darunter befanden sich oft minderjährige JUgendliche aus den besetzten Gebieten im Osten - v.a. der Ukraine und Polen. 

26  Partenen Silvrettadorf  
Die Zwangsarbeitskräfte und Kriegsgefangenen waren ganzjährig im Silvrettadorf untergebracht. Zahlreiche Fluchtversuche in die Schweiz endeten im Hochgebirge tödlich. Andere kamen ums Leben, als sie zu früh wieder in die gegen Wanzen und Läuse begasten Baracken zurück mussten. Wieder andere wurden aufgrund von Widerstand oder Verfehlungen in Arbeitserziehungslager oder Konzentrationslager eingewiesen.

27  St. Anton Bahnhof
Am Bahnhof von St. Anton machte der Reichsjugendführer Baldur v. Schirach einen kurzen Halt und wurde von der begeisterten Schuljugend unter einem fanatischen Lehrer und NS-Anhänger begrüßt. Allerorts wurden NS-Gegner aus dem Schuldienst entlassen oder versetzt. Der Religionsunterricht wurde überall zurückgedrängt.

28 Stallehr/Lorüns Zementwerk
Beim Zementwerk Lorüns waren ebenfalls zahlreiche Zwangsarbeitskräfte im Einsatz. Bei der gefährlichen Arbeit in den Steinbrüchen kam es immer wieder zu Unfällen. Der Zement wurde v.a. für die Illwerke-Baustellen verwendet.

 

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Das Ausstellungsprojekt wird unterstützt von:


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