Klaudia Zugg (1900–1975) – Gemeindehebamme in St. Gallenkirch

Familie Zugg

© Brundhilde Lorenzin-Zugg

Es war der 4. August 1925 als Klaudia Zugg zu einer Geburt in St. Gallenkirch gerufen wurde. Was für die 44-jährige werdende Mutter bereits die 14. Entbindung war, stellte für die junge Hebamme die erste dar, die sie nach ihrer Ausbildung völlig selbstständig durchführte. Erst kurz zuvor hatte sie die entsprechende Abschlussprüfung nach einer mehrmonatigen Ausbildung in Innsbruck bestanden.

Geboren wurde Klaudia Zugg am Abend des 9. Juli 1900 als eines von sieben Kindern des Kaufmannes Josef Zugg und seiner Gattin Anna Maria geb. Nann. Von 1906 bis 1914 besuchte sie die Volksschule. Daran anschließend war sie bis 1924 im elterlichen Haushalt tätig. Im Jahre 1929 kaufte Klaudia Zugg mit zwei Brüdern das Haus Nr. 231 in St. Gallenkirch, wo die Nachkommen bis heute leben. Sie selbst gebar drei uneheliche Kinder: Viktor (1922), Anna (1923) und Bruno (1927), blieb aber bis zu ihrem Lebensende ledig.


Familienbild ZuggFamilienbild aus dem Jahr 1928/29, hinten links nach rechts: Klaudia Zugg, Anna Maria Zugg (Mutter) und Josef Zugg (Vater); vorne links nach rechts: Anna, Bruno und Viktor (Kinder Klaudias)

Klaudia Zugg absolvierte ab 1924 ihre Hebammenausbildung in der Landesgebäranstalt Innsbruck auf Kosten der Gemeinde St. Gallenkirch, für welche sie später auch zuständig sein sollte. Von der Zeit ihres Aufenthaltes in Innsbruck ist neben den Mitschriften zudem ein privates Tagebuch überliefert. In einem lyrischen Text, welchen sie am 23. Oktober 1924 auf die erste Seite des Tagebuchs schrieb, erzählte sie von der Reise nach Innsbruck sowie dem Abschied von der Heimat, der ihr durchaus schwer gefallen sein durfte: „Ich ging mit schweren Herzen dann und sagte lebewohl“. Dies lag wahrscheinlich vor allem an ihren beiden Kindern, die sie während der Ausbildung bei ihren Eltern ließ.

Nach ihrer Rückkehr nach St. Gallenkirch war Klaudia Zugg zunächst als Privathebamme tätig. Mit Jahresbeginn 1928 trat die bisherige öffentliche Hebamme Marie Fleisch in den Ruhestand, woraufhin Zugg von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz als öffentlich bestellte Hebamme in St. Gallenkirch übernommen wurde. Laut Vertrag mit der Gemeinde erhielt Klaudia Zugg 200 Schilling Jahreslohn als sogenanntes Wartgeld. Zusätzlich erhielt sie pro Geburt eine Bezahlung durch die Mütter/Familien, was in den noch vorhandenen Rechnungsbüchern aufgelistet wird. Die Gemeindehebamme war verpflichtet, sich um alle Gebärenden beziehungsweise Wöchnerinnen zu kümmern, die sich im Ortsgebiet befanden.

Nachdem die Hebamme am 9. Juli 1960 das 60. Lebensjahr erreichte, suchte die Gemeinde im darauffolgenden Jahr um Altersrente an. Allerdings blieb Klaudia Zugg bis 1973 im Dienst, da es keine Nachfolgerin gab und noch 1974 half sie ihrer Urenkelkin auf die Welt.

Ein besonderer Fundus sind die erhaltenen Hebammentagebücher, in der alle von ihr begleiteten Geburten eingetragen sind. Über den gesamten Zeitraum betreute Klaudia Zugg die Geburt von insgesamt 1.642 Kindern (788 Mädchen, 830 Knaben). 1930 war das Jahr mit den meisten Geburten: Insgesamt sechzig Kindern half Klaudia Zugg in diesem Jahr auf die Welt. Hingegen markierte 1974 das Jahr mit den wenigsten Geburten. Jenes war aber gleichzeitig auch das letzte Jahr ihrer aktiven Berufsausübung.

Statistik Geburten Klaudia ZuggGeburtenstatistik Klaudia Zugg 1925-50

Die geburtenstärksten Zeiträume ihrer Tätigkeit waren 1929/30, 1940/41 sowie 1959/60 und entsprechen damit der Gesamtentwicklung. Ab 1940 bestand in Schruns die Geburtsstation im St. Josefsheim und so war Zugg fortan auch immer wieder dort im Einsatz. 

Autor: Michael Kasper


Mehr über Hebamme Klaudia Zugg sowie die Montafoner Medizingeschichte findet sich im neuen Buch: krank - heil - gesund. Medizingeschichte(n) aus dem Montafon (Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 31), EUR 34,90. Die gleichnamige Sonderausstellung im Montafoner Heimatmuseum Schruns ist noch bis Ende Mai 2023 zu den Öffnungszeiten zu sehen.

26.10.2022