Präsentation Machbarkeitsstudie "Bahnausbau Montafon"

Tram Train bis Gaschurn ist Bestvariante - Ziel: Mehrwert für Einheimische und Tourismus.

Eine Vision bringt ein ganzes Tal in Bewegung. Die Bürgermeister des Montafon, Tourismus und Bergbahnen sind sich einig, dass der Bahnausbau ein wesentlicher Schlüssel zur Stärkung ihres Standorts ist. Mit Unterstützung des Landes Vorarlberg wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die heute (11.7.2019) gemeinsam vom Stand Montafon, Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser und Landesrat Johannes Rauch präsentiert wurde. Bestvariante ist ein kombiniertes Tram Train-System. Die bevorzugte Trasse soll von Bludenz über die Golmerbahn und Schruns Zentrum bis nach Gaschurn geführt werden.

Die technische Machbarkeit einer Bahnverlängerung bis Gaschurn wurde mit positivem Ergebnis geprüft. Die Bahn ist im Montafon ein beliebtes öffentliches Verkehrsmittel und bildet das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs im Montafon. Die elektrisch betriebene Montafonerbahn gehört zu den Privatbahnen mit den stärksten Fahrgastzuwächsen in Österreich. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 1,44 Millionen Fahrgäste transportiert, das sind um 86.000 mehr als im Jahr 2016.

Die Idee einer Bahntrasse bis ins Hochmontafon zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Montafonerbahn. Seit mehr als einem Jahrhundert wird immer wieder über eine Weiterführung bis Gaschurn diskutiert, für den Bau des Vermunt-Stausees wurde zwischen 1928 und 1953 eine Schmalspurbahn nach Partenen geführt, zeitweise auch mit einem Salonwagen für Fahrgäste. Bereits im Jahr 1992 wurde in einer Verkehrsstudie von Besch & Partner eine Bahnverlängerung geprüft. Auch in einem Ideenwettbewerb wurde ein „leistungsfähiges elektrisch betriebenes Mobilitätsband“ für eine künftige räumliche Entwicklung als beste Idee präsentiert, um die wesentlichen Attraktionspunkte im Tal zu verbinden und an lokale Mobilitätsräume anzuknüpfen.

Die Trasse von Bludenz nach Schruns ist derzeit zirka 13 Kilometer lang, von Schruns nach Gaschurn sind es weitere knapp 15 Kilometer. Derzeit wird das Hochmontafon ab Schruns durch ein regionales Bussystem abgedeckt – betrieben von der mbs Bus GmbH, während im Außermontafon Richtung Bludenz die Bahn das dominierende Verkehrsmittel ist, beschreibt Studienautor Christoph Breuer vom Institut Kairos die Ausgangssituation.

Visionsprozess als Grundlage für Mobilitätszukunft

Schon seit 2012 wurden verschiedene alternative Verkehrsmittel im Montafon in einer vertieften Auseinandersetzung geprüft – von der Seilbahnverbindung bis zum Monorail System. Aus diesen Visionen wurde schließlich die Machbarkeitsstudie und damit eine solide Grundlage für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung im Montafon, erklärt Standesrepräsentant Herbert Bitschnau und nennt die Vorgaben für die Machbarkeitsstudie: „Ein Ausbau der Montafonerbahn von Bludenz bis Gaschurn, der die wichtigen Ziele für Einheimische und Gäste anfährt. Durch eine entsprechende Leistungsfähigkeit sollen auch Fahrgastspitzen kostengünstig bedient werden können, kürzere Fahrzeiten sollen eine attraktive, elektrisch betriebene Mobilitätsachse für das ganze Tal sichern. Ziel ist es, wie in anderen Pionierregionen die Zahl der Fahrgäste durch die Nutzung touristischer Entwicklungsmöglichkeiten mittelfristig zu verdoppeln.“

Gemeinsames Bekenntnis zu zeitgemäßer Mobilität

Der Stand Montafon hat im Mai 2019 einen zukunftsweisenden Beschluss gefasst, damit das Montafon als attraktiver Lebensraum und Wirtschaftsstandort wieder gestärkt werden kann. Eine zeitgemäße Mobilität und der Bahnausbau werden von den Bürgermeistern vor allem im Hinblick auf die jüngere Generation als wesentlichen Voraussetzungen dafür gesehen. Das Land Vorarlberg unterstützt die Zielsetzungen der weiteren Attraktivierung des ÖV-Systems im Montafon und hat die Machbarkeitsstudie mit beauftragt und mitfinanziert, erklären Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser und Landesrat Johannes Rauch. „Die Machbarkeitsstudie liefert uns wichtige Erkenntnisse zu Trassenführung, Betriebskonzept, Investitionskosten etc. um auch die Gemeinden St. Gallenkirch und Gaschurn mit der Bahn zu erschießen. Wir können nun abschätzen, wo eine verlängerte Bahntrasse verlaufen würde. Unser zentrales Anliegen ist es, im Sinne einer vorausschauenden Verkehrspolitik rechtzeitig die erforderlichen Flächen zu sichern um hier Handlungsspielräume für die Zukunft offen zu halten.“

Landesstatthalter Rüdisser und Landesrat Rauch betonen, dass aus Sicht des Landes mit der Machbarkeitsstudie eine fundierte Grundlage für die nächsten Schritte vorliegt. „Auf den Ergebnissen zu den möglichen Bahnfahrplänen kann nun im nächsten Schritt die Busplanung aufsetzen – ein wichtiger Puzzlestein zum Gesamtbild des öffentlichen Verkehrs bei einer Bahnverlängerung. Intelligent kombiniert bieten Bus und Bahn zusammen attraktive Reiseketten auch über längere Distanzen. Gleichzeitig wollen wir aber auch keine falschen Hoffnungen wecken: Der Weg bis zur Umsetzung einer Schienenverlängerung ist noch ein weiter.“ Dies zeige sich auch mit Blick auf die zeitintensiven Prozesse bei Infrastrukturprojekten in anderen Landesteilen.

Die Verantwortlichen von Tourismus und Bergbahnen im Montafon zeigen sich sehr erfreut über den nun vorliegenden Bericht zur Verlängerung der Montafonerbahn. „Für uns ist der Abschluss der Machbarkeitsstudie ein großer Meilenstein im Projekt“, betonen die Geschäftsführer Thomas Lerch von den Gargellener Bergbahnen, Markus Burtscher von Golm Silvretta Lünersee Tourismus und Martin Oberhammer von Silvretta Montafon.

Bestvariante: Tram Train mit Anbindung Golm über Schruns Zentrum bis Gaschurn

Insgesamt zehn Trassenvarianten wurden in der Machbarkeitsstudie untersucht. Nach Abschluss der technischen Machbarkeit wird unter Abwägung der Aspekte politische Umsetzbarkeit, Kosten, Fahrgastpotential und Entlastungswirkung auf der Straße die Trasse über Schruns Zentrum, Aktivpark und Zamang nach Galgenul und von dort in Tallage bis Gaschurn zur Versettlabahn favorisiert, erklärt Christoph Breuer, der die Machbarkeitsstudie der Bietergemeinschaft Bernard und Brugger Ingenieure zusammengefasst hat.

Tram Train – flexibel, kostengünstig und robust

Tram Train Fahrzeuge sind eine Kombination aus Straßenbahnen und Zügen, die in zwei Welten zu Hause sind. Sie können auf Vollbahntrassen mit der für Eisenbahnen üblichen Sicherungstechnik betrieben werden, können aber gleichzeitig auch straßenbahnähnliche Abschnitte auf Sicht befahren. In diesen Abschnitten gelten wie für Straßenbahnen üblich geringere Anforderungen an die Absicherung von Kreuzungen, sodass die trennende Wirkung der Gleisanlage wesentlich entschärft ist. Durch die anders konstruierten Fahrwerke, die höhere Anzahl der angetriebenen Räder und den leichteren Aufbau können Tram Train Garnituren zudem steilere Gleispassagen bewältigen und engere Kurven fahren.

Die Tram Train Garnituren sind gleich breit wie übliche Züge und nützen auch deren Stromnetz, die Fahrzeuge sind einfach, günstig und robust und können innerorts sogar ohne Oberleitung fahren. Insgesamt bieten sie vergleichbare Reisezeiten und höchsten Fahrkomfort.

Vorteile des Tram Train-Systems für den Bahnausbau im Montafon

  • Zwischen den Bahnstationen Vandans und Kaltenbrunnen können mit einer Gleisschleife Vandans zentrumsnah bedient und die Talstation der Golmerbahn direkt angefahren werden.
  • Von Schruns Bahnhof kann die Trasse an der Reha-Klinik vorbei über ein Rasengleis zum Aktivpark geführt werden.
  • Die Trasse kann besser an die Landschaft angepasst werden, dadurch braucht es weniger Stützmauern und Böschungen, kürzere Tunnel und Brücken und insgesamt weniger Eingriffe in die Landschaft.
  • Sollte die Durchfahrt durch das Schrunser Feld nicht möglich sein, kann mit der Tram Train auch entlang der Landesstrasse von der Rätikon-Kreuzung zum Aktivpark gefahren werden (zwischen Straße und Gewerbegebiet).

Investitionskosten

Die Trassen wurden im Rahmen der Machbarkeitsstudie in der Betrachtungstiefe eines Vorprojektes untersucht, entsprechend hoch ist zum derzeitigen Zeitpunkt auch die Schwankungsbreite der Investition. Deshalb muss noch mit einem Sicherheitsaufschlag von 37 Prozent also 68 Millionen Euro gerechnet werden. Damit sind jene Unsicherheiten pauschal eingerechnet, die erst in der Detailplanung geklärt und exakt berechnet werden können.

In den Basiskosten von 186,5 Millionen Euro sind selbstverständlich die Kosten für Planung, Vermessung, die Baustelleneinrichtung, das Projekt- und Baumanagement sowie die örtliche Bauaufsicht bereits enthalten.

Für die Anbindung der Seilbahn zur Golm Talstation sind mit den beiden Haltestellen Vandans Zentrum und Golm Basiskosten in der Höhe von 21,7 Mio. Euro veranschlagt. Dazu kommt auch für diesen Bauabschnitt ein Sicherheitsaufschlag von 7,9 Millionen Euro. In Summe sind somit in der präferierten Variante mit Investitionskosten inklusive Sicherheitsaufschlag von rund 284 Millionen Euro (Preisbasis 2017) zu rechnen.

Betriebskonzept: zwei Betriebsformen möglich

Für die Bestvariante wurde 2019 vom Büro IBV Hüsler AG ein Betriebskonzept erstellt. Ausgangspunkt sind dabei die Fahrplanzeiten des übergeordneten Netzes in Bludenz. Prinzipiell stehen auf der bevorzugten Trasse die Betriebsvarianten einer REX-Durchbindung bis Schruns und dort Umstieg auf die Tram Train sowie ein durchgehender Tram Train Betrieb ab Bludenz mit umstiegsfreiem Betrieb innerhalb des Montafons zur Wahl.

Der durchgehende Betrieb mit der Tram Train hat den Vorteil, dass damit die Golmerbahn mit jedem Zug – also halbstündlich – angefahren werden kann und die Fahrzeit von Bludenz bis Gaschurn Versettlabahn insgesamt um 5 Minuten kürzer wird. Die Durchbindung der REX-Garnituren bringt demgegenüber den Vorteil, dass der Umstieg zur vollen Stunde in Bludenz für alle Fahrgäste, die bis Schruns reisen oder dort in den Bus umsteigen, entfällt.

Attraktive Fahrzeiten mit Anbindung nach Wien und Zürich

Die Reisezeiten liegen bei der reinen Tram Train Variante bei 46 Minuten für die Relation Bludenz – Gaschurn, wenn über die Golmerbahn gefahren wird. Im Mischbetrieb REX und Tram Train beträgt die Reisezeit 51 Minuten. Zum Vergleich: Aktuell liegt die Reisezeit mit Zug und Bus von Schruns bis Gaschurn Versettlabahn bei 58 Minuten. Die bereits heute schlanken Übergänge auf den Fernverkehr Richtung Wien und Zürich bleiben in beiden Varianten bestehen. Ebenso die Übergänge auf den schnellen Regionalverkehr nach Feldkirch-Dornbirn-Bregenz-Lindau, je nach Variante mit oder ohne Umstieg in Bludenz.

Anpassungen Bussystem, ergänzende öffentliche Mobilitätsangebote

In einer Arbeitsgruppe zusammen mit VertreterInnen des Standes, des Landes, des VVV und der Montafonerbahn wird nun darüber nachgedacht, was der Ausbau des Bahnnetzes für das Busangebot bedeuten würde. Die projektierte Bahnlinie liegt zum Teil weiter von den Siedlungsgebieten entfernt als heute die Buslinien verlaufen. Entscheidend wird daher sein, dass von und zur Bahn attraktive Zubringer angeboten werden mit schlanken aber sicheren Übergangszeiten. Dabei können künftig auch neue Technologien relevant sein. Für den Stand Montafon ist ein Modellprojekt mit dem Einsatz von selbstfahrenden Shuttle-Bussen als Zubringer zur Bahn vorstellbar, erklärt Martin Netzer, stellvertretender Standesrepräsentant und Bürgermeister von Gaschurn. Bei diesem Modell könnten die Shuttles die Feinverteilung von der neuen Bahntrasse in derzeit durch den öffentlichen Verkehr noch nicht erschlossene Gebiete übernehmen.

Entwicklung Fahrgastzahlen und Verkehrsentlastung

Im Montafon reisen derzeit weniger als drei Prozent der Touristen mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Zum Vergleich: Im südlichen Paralleltal, dem schweizerischen Engadin, sind es knapp 30 Prozent. Gäste, die öffentlich anreisen, sind auch in der Region bevorzugt öffentlich unterwegs. Der Ausbau des Bahnangebotes Richtung Schweiz, Liechtenstein, Ulm und München bedeutet wesentliche Wachstumschancen für die Gästeanreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Schließlich soll durch den Ausbau des Angebotes auf der Schiene auch für die Tagesgäste die Bahnanreise wesentlich einfacher und attraktiver werden. Ein kurzfristig erster Schritt dazu ist die Planung des Landes bereits in den nächsten ein bis zwei Jahren verstärkt umsteigefreie Verbindungen zwischen Schruns und dem Walgau bzw. Rheintal einzuführen.

Für die Wirkung eines Bahnausbaus ist es entscheidend, wie die Mobilitätsbedürfnisse der Einheimischen mit jenen der Gäste geschickt verschränkt werden können. Wichtige Aussagen zur potentiellen Verlagerungswirkung eines Bahnausbaus verspricht man sich durch die Prognosen des Instituts für Verkehrswissenschaften der TU Wien.

Ausblick

Ergebnisse zu Busplanung und Fahrgastpotential sollen bis Ende des Jahres vorliegen. Anschließend wird die Machbarkeitsstudie samt Anbindung an das Bussystem und Fahrgastpotential im Montafon vorgestellt und diskutiert – in den Gemeindevertretungen und bei Informationsveranstaltungen mit interessierten Bürgern. Diese Ergebnisse und Anregungen werden für die weitere Bearbeitung genauso einbezogen wie zusätzliche Erkenntnisse etwa aus den Bereichen Innovation und Technik oder Kosten für Infrastrukturinvestition und -erhaltung sowie Betrieb. 

Christoph Breuer rechnet für die Vertiefung der Studie etwa mit ein bis zwei Jahren. Dann können auch konkrete Aussagen vor allem zu Nutzen und Kosten des Projekts gemacht werden. Auf dieser Grundlage sollen dann zentrale Fragen wie die Rentabilität, die Finanzierung, die genaue Trassenführung usw. einer Prüfung und Klärung zugeführt werden können. Im Vordergrund steht zunächst die Sicherung der erforderlichen Flächen für eine Bahntrasse um hier die erforderlichen Handlungsspielräume zu erhalten.