Bergmahd im Garneratal (Gaschurn)

Garneratal, 1944

© Montafon Archiv

Eines der größten und herausforderndsten Bergmahdgebiete des Montafons war das Garneratal bei Gaschurn.

Vom Stofel der Garneraalpe bis zum Talschluss wurden die Hänge beidseitig ehemals als Bergmähder bewirtschaftet. Das Garneratal stellt wohl eines der weitläufigsten Mahdgebiete im Montafon dar: es sollen rund 150 Bargen (100 auf der westlichen, 50 auf der östlichen Talflanke) bestanden haben. Otto von Pfister schrieb 1889: „Das Ganerathal ist das Wildheuerthal par excellence.” Sowohl er als auch bereits Gustav A. Koch 1883 verwiesen auf die Wildheuer, die mit Seilen gesichert, an den steilen Flanken mähten.

Der älteste Bericht stammt aus dem Jahr 1781, als reformierte Graubündner Priester eine mehrtägige Wanderung durch die Silvretta unternahmen:

Es befanden sich nemlich unter unsern Füßen, wie auch hin und her an vielen Orten, stotzige, glatte, für jede Art groß Vieh unzugängliche Grasplätze, oder Blaisen zwischen Felsen hinein, auf diese führten sie wo immer möglich Wasser, wässerten und mäheten das Gras sauber ab, so daß so zu sagen kein Plätzlein auf ihren Alpen ungenutzt bleibt. Wir bemerkten einen großen Unterschied an Höhe und Dicke des so gewässerten Grases, von dem ungewässerten. Einige Männer und Weiber waren, mit guten Fußeisen versehen, eben mit Einsammeln dieses köstlichen Alpgrases beschäftiget; sie schleiffen und trugen dasselbe gedörrt in hinder Felsen aus Arbenem Holz, welches sie Zirmt Holz nannten, bebauten Heu Bargunen, von da sie solches im Winter bei Schlittbahn weg führen. Auch häuften sie an einigen Orten das Heu um eine an einem vor den Läuinnen sichern Platz im Boden gesteckte Latten herum auf, und verkappten es bestmöglich mit Ried oder etwas längerem Heu. Diese Heukegel oder Heuschober sind im Winter, da man sie heim holet, die äußere Rinde ausgenommen, so frisch und grün, ja oft besser durchlüftet, als das Heu in den Ställen. Besagte Plätze oder Heublaisen, sagten sie, haben ihre eigenthümlichen Besitzer, so wie andere Güter, und sind noch dazu in hohem Preis; anfänglich werden sie den Alpgenossen abgekauft; hernach verkauft sie einer dem andern; indessen erhalten die Alpen selbst dadurch gewisse Einkünfte, welche zur Bestreitung der Alpkosten gute Dienste thun. Dergleichen Grasplätze sahen wir mit und ohne Fernglas auf allen Montafuner Alpen und Bergen; ein wirkliches Zeichen der haushälterischen Geschäftigkeit dieses Volks: […] Diese Heuerleute wußten uns von keinen Unglücksfällen bei dieser gefährlichen Arbeit zu erzälen [sic]. Ich bedaurte sie ihrer sauren Mühe wegen, sie aber trösteten sich mit dem schönen Nutzen, den sie aus diesem guten Heu vor anderm aus ziehen; der aromatische Geruch desselben ließ mich das leicht glauben.“ (Pfr. Catani, Bemerkungen bei einer in Gesellschaft Herrn Pfarrer Pol durch die Montafunerberge in die Gebirge Fermunt, im Julius 1780 angestellten Bergreise. In: Der Sammler. Eine gemeinnützige Wochenschrift für Bündten, Jg. 3 (1781), 5. Stück, 33-63, hier 39-40)

Der Heimatforscher Anton Fritz dokumentierte um die Mitte des 20. Jahrhunderts noch das traditionelle Heuen der Bergmähder, indem er alte Personen dazu befragte. Am 29. Juni 1958 erzählte ihm auf Ganeu ein alter Gaschurner:

Er sagte mir, daß man früher aus dem Garnära viel hundert Bätscha Heu heraus habe. Aus der Palaisa (Flurname) habe ein einziger Bauer 60 Bätscha Heu heraus, er habe dort 3 Bargen gefüllt und noch etliche große Schochen gemacht. – 1957 habe man aus dem ganzen Garnäratale noch 15 Bätscha Heu heraus.

Zu den besonders steilen und gefährlichen Mähdern im Garneratal berichtete ihm Gregor Vergud aus Gortipohl:

Im Garnära gab es auch bes. schwierige, steile Mähder. Es gab dort Lagen, in denen Frauen das Heu in den Schößen zusammentrugen, da man keine Bündel laden konnte, wo es z.B. so steil war, daß die Mäher mit dem Steinfaß den Boden streiften. Auch mußte man an einzelnen Orten die Bätscha mit Seilen über die Felsen herunter lassen. Letzteres erzählt auch meine Mutter öfters

Ganz generell dokumentierte Anton Fritz den Wandel im Garneratal. Die vielen Heubargana, die mittlerweile weitgehend verschwunden sind, und die gemähten Wiesen müssen die Landschaft eindrücklich geprägt haben:

Alte Gaschurner wissen noch, daß man allein interm Garnärner Stafel mehr als 100 Bätscha Bergheu heraus habe. Heute kommt kein einziger mehr heraus, ja es stehen nicht einmal mehr Bargen drinnen, sie wurden alle abgebrochen u. das Holz an die Tübingerhütte verkauft. Trotz allem stehen heute (1961) noch 87 Heubargen (wenigstens) im Garnäratal.

Luftbildvergleich Garneratal


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Autor: Michael Kasper, 23.7.2021

23.07.2021