Seit dem 16. Jahrhundert ist das Auftreten von Bären im Montafon dokumentiert. Bären, Luchse und Wölfe galten als gefährliches Raubwild, das Nutztier- und Wildbestand bedrohte. In manchen Flurnamen wie Bärenalp im Silbertal, Bärenwald bei Galgenul verweisen auf das einstige Vorkommen dieser Tiere. Um 1610 wurde im Bludenzer Herrschaftsurbar beklagt, dass die genannten Raubtiere im Innermontafon im Gebiet Vermunt/Vallüla den gesamten Wildbestand bedrohten:
„Sonsten hat es in diesem tal desgleichen auf Vallula noch ziembliche schöne wäld und wildsteend. Dieser zeit werden aber mehr untier von bären, wölf und luxen als ander wildprett darinnen befunden.“
Die Amtsrechnungen der Vogtei Bludenz für den Zeitraum 1518 bis 1690 verweist auf das Vorkommen dieser Tiere im Montafon. Insgesamt wurden 40 Bären, 251 Luchse und 48 Wölfe im Gebiet der Herrschaften Bludenz-Montafon und Sonnenberg erlegt. Bei vielen fehlt eine genaue Ortsangabe, aber folgende Raubtiere können eindeutig dem Montafon und manchmal bestimmten Jägern zugeordnet werden:
1568 Thöny Mark aus St. Anton, 3 Luchse, Hans Sugg aus St. Gallenkirch 1 Luchs
1572 Christian Stofleth aus St. Gallenkirch 1 großen Bären
1573 Brüder Claus und Peter Melaun aus St. Gallenkirch 2 alte Bären, Thöny Mark aus St. Anton 1 Luchs, Hans Sugg aus St. Gallenkirch 1 Luchs
1579 Valentin und Veit von Arünsen (Lorüns) 2 Luchse
1583 St. Gallenkirch 1 Bär, 1 Luchs
1584 St. Anton 1 Luchs, St. Gallenkirch 1 Luchs, Schruns 2 Luchse
1592 Cristan Buzer 2 Luchse, Wolf Zelff 1 Luchs, Hans v. Berg 1 Luchs, Hans Marendt 1 Bär, Mäule Beggen und Theis Bolzen 2 Luchse im Montafon
1595 St. Gallenkirch 1 Bär, Martin Mock vom Silberberg (Silbertal) 1 Luchs, Tschagguns 1 Luchs
1596 Gaschurn 1 Bär, Montafon 1 Luchs
1599 Landtschau (Latschau) 3 Luchse, St. Gallenkirch 1 Luchs, Silberberg 4 Luchse
1600 Montafon 3 Luchse, St. Gallenkirch 1 Bär
1601 Lorüns 1 Luchs, Montafon 1 Luchs, St. Gallenkirch 2 Luchse
1602 St. Gallenkirch 1 Luchs, Schruns 3 Wölfe
1603 Montafon 1 Luchs,
1610 4 Luchse, 4 Wölfe aus Montafon
1611 St. Gallenkirch 5 Luchse, Silbertal 1 Bär
1613 1 Luchs, 1 Wolf aus Montafon
1618 1 Bär von Schruns, Tschagguns 1 Luchs
1622 1 Wolf aus Montafon
Das Schussgeld und konnte bis zu 5 Gulden für einen Wolf sowie bis zu 10 Gulden für einen alten Bären betragen.
Im 18. Jahrhundert wurden Bären und Wölfe dann sehr selten. 1782 erhielten die Schützen Vallaster und Mathies mehrere Taglöhne wegen des ins Land gekommenen Bären. Der vermutlich letzte im Montafon erlegte Bär wurde um 1850 im Bereich von Vermunt von einem Mangeng geschossen. Man führte das tote Tier auf einem Wagen durchs Montafon hinaus.
Bärenschädel vom Fuß der Drusenfluh (Sammlung Montafoner Museen)
Zuletzt wurden Ende des 19. Jahrhunderts Bären im Montafon gesichtet: 1867 wurde zur Zeit der Bergmahd ein achtjähriger Hirtenknabe, der auf einem Baumstumpf saß, im Umfeld der Alpe Platzis von einem Bären überrascht. Er konnte jedoch fliehen und berichtete das Erlebte seinem Vater. Obwohl dieser glaubte, der Bub habe ein Rind gesehen, wurde bald darauf eine Treibjagd unternommen, jedoch erfolglos. Spuren eines Bären führten jedoch über die Alpe Zaluanda zum Lünersee. Acht Tage später wurden auf der Alpe Vilifau 20 Schafe tot gefunden. Der Bär dürfte jedoch in Richtung Arlberg verschwunden sein.
Am 25. Juni 1883 unternahm Direktor L. Jozek aus Böhmisch-Brod eine Wanderung von der Douglasshütte über das Cavalljoch und kam vom Wege ab. Plötzlich sah er auf der anderen Seite des Grabens etwa 300 Schritte entfernt einen ziemlich großen ausgewachsenen Bären, der eine Weile am Bache stehen blieb und dann ziemlich schnell davonlief. Jozek hätte zwar einen kleinen Revolver dabei gehabt, marschierte aber vorsichtshalber zum Lünersee zurück.
Am 27. September 1883 unternahm Oberförster Hepp aus Hirsau im Schwarzwald mit seinem Sohn und Bergführer Gottlieb Lorenz aus Galtür frühmorgens eine Bergtour vom Jamtal aus zur Dreiländerspitze und zum Piz Buin. Nach Beobachtung eines Rudels Gämsen erblickte er auf der Gletscherfläche einen Bären:
„Dort bewegte sich ein alter, gelbgrauer Bär von ganz colossalen Dimensionen, wie ich noch nie einen gesehen habe, den Gletscher herab. Er war soeben am Fuße der dort durcheinander geworfenen Gletscherabstürze, welche ein menschlicher Fuß nicht so leicht passiren wird, angelangt, machte sodann noch wenige Schritte gegen uns, wendete sich hierauf plötzlich auf eine Entfernung von ca. 300 Schritten von uns, die wir auf der weiten Eis- und Schneefläche ihm frei gegenüber standen, nach rechts, wodurch uns Allen ein beengendes Gefühl vom Herzen fiel, denn wir waren natürlich nur mit drei Alpenstöcken bewaffnet (...) Wir verfolgten nun unseren Bären mit dem Fernglas eine volle Viertelstunde und konnten anfangs jede seiner Mienen beobachten, wie er manchmal mit schiefem Kopf einen kurzen verstohlenen Blick mit seinen funkelnden Augen nach uns zurückwarf, und sodann im im Schritt, nur einmal durch kurzen Galopp unterbrochen, merkwürdig weit ausgreifend sich mit fabelhafter Schnelligkeit vorwärts bewegte. Er war so wohlgenährt, daß alles an ihm glänzte, und so groß, daß wir nachher bei vergleichung mit manchem schönen Stück Rindvieh uns sagten: „gut so groß war unser Bär.“
Im Sommer 1889 soll ebenfalls im Lünerseegebiet ein Tourist einem Bären begegnet sein. Vermutlich waren alle diese Bären kurzzeitige Besucher, die von der Schweizer Seite aus Graubünden herüberkamen.
Quellen:
Klaus Fessler: Die Geschichte der Bären in Vorarlberg und Umgebung.
Meinrad Tiefenthaler, Von der Jagd, Wilderern und wilden Tieren im Vorarlberger Oberland vom 16. bis zum 19. Jahrhundert (1941).
Ludwig Vallaster, Bär und Wolf, Luchs und Fuchs, 1957.
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Michael Kasper, 20.4.2023