Rettung der Illwerke 1945

Das Silvrettadorf im Winter

© Montafon Archiv

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verhinderten mutige Montafoner unter der Leitung von Romed Boss die Sprengung der Kraftwerksanlagen der Illwerke in Partenen. 

Die Angaben zum Widerstand in Partenen bzw. zur Verhinderung der Zerstörung der Illwerke-Anlagen beruhen auf den Aufzeichnungen von Romed Boss:

„Am 26.4.1945 kam Meierhöfer, der Beauftragte des Kreisleiters Bernhard von Landeck für Sperrmaßnahmen mit Pioniermajor Bähr nach Parthenen und hatten mit dem Bauleiter [Otto] Stilgenbauer und dem Unterfertigten (Ing. Boss) eine Besprechung. Meierhöfer teilte mit, dass in Zeinis und in Silvrettadorf Stellungen gebaut werden sollen, wozu von Parthenen mit der Seilbahn Holz nach Silvrettadorf zu schaffen ist. Nachher muss die Seilbahn gesprengt werden und der Schrägaufzug neben der Rohrleitung und die Stollen der Höhenbahn durch Sprengung unpassierbar gemacht werden. Auf Befragung gab der Bauleiter Stilgenbauer an, dass ca. 3000 kg Sprengstoff, aber zu wenig Sprengkapseln vorhanden sind. Meierhöfer und Major Bähr sind darauf abgefahren.

Am 28.4.1945 sprachen Kriegsverwaltungsrat Dr. Hartmann, der Reichslastverteiler und der Unterzeichnete beim Batteriechef der FLAK Oberleutnant Fuchs vor. Oberleutnant Fuchs gab an, dass er den Befehl habe, die Anordnungen des Reichsverteidigungskommissars bezüglich Sprengung der Werke mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Auch wurde in Erfahrung gebracht, dass Oberleutnant Fuchs die Flakstellung bis zum letzten Manne verteidigen wolle. Dr. Hartmann hat Oberleutnant Fuchs mitgeteilt, dass von den Werken nichts zerstört werden darf laut Auftrag von Minister Speer.

Am 29.4.1945 ist Meierhöfer wieder in Parthenen erschienen und hat am folgenden Tage dem Bauleiter Stilgenbauer 2000 Sprengkapseln und einen Plan der Sprengkammern gegeben und ihm die Durchführung der Vorarbeiten für die Sprengung übertragen. Meierhöfer ist hierauf abgereist. Die Sprengkapseln wurden sofort nach Silvrettadorf in den Aufbewahrungsbunker geschafft. Der einzige in Parthenen befindliche Kompressor wurde gleich nach dem Erscheinen des Meierhöfer unbrauchbar gemacht.

Am 1.5.1945 sind Rene Pfeifer, Alwin Pfeifer, Othmar Rudigier und Hans Schemnitzer, Mitglieder der Widerstandsbewegung, von Gaschurn nach Silvrettadorf gegangen und haben aus dem Bunker sämtliche Sprengkapseln geholt. Beim Rückweg um 2 Uhr früh wurde ihnen fernmündlich vom Gefertigten die Weisung gegeben, die Munitionsvorräte der Flak im Einlaufsturm zu vernichten und ins Wasser zu werfen. Bei Anhaltung durch den Flakposten auf der Staumauer soll gesagt werden, dass sie dort über Auftrag zu tun hätten. Nachdem sämtliche Munition ins Wasser geworfen war, sind die 4 Mann über die Staumauer zurückgegangen, wobei sie den Posten, der inzwischen abgelöst worden war, ohne Zwischenfall passierten.

Am 1.5.1945 abends ist der Volkssturm von Bludenz ins Montafon zurückgekehrt. In der Nacht vom 2. auf 3.5.1945 wurde durch Mithören des Fernsprechers mit der Flak in Erfahrung gebracht, dass die Flak in den Erdkampf eingesetzt werden soll.

Am 3.5., 6 Uhr früh wurde vom Unterzeichneten bemerkt, dass die Vierlingsflak ober des Krafthauses Vorbereitungen für den Abmarsch trifft. Der Unterzeichnete hat versucht, durch Hinweis, dass der Führer tot ist, sie an keinen Eid mehr gebunden sind, und daher die Befehle nicht mehr befolgen müssen, den Abmarsch zu vereiteln. Der Zugführer Kretschmer gab an, dass sie die erhaltenen Befehle durchführen müssen und dass der Oberleutnant mit dem 7 Uhr-Schrägaufzuge herunterkomme. Der Unterfertigte hatte den Eindruck gewonnen, dass die Mannschaft nach Entfernung des Zugführers vom Abmarsch abzuhalten ist. Der Zugführer wurde mit Hilfe von Pfeifer Rene und Pfeifer Alwin festgenommen und Mannschaft zum sofortigen Verlassen der Stellung aufgefordert. Sie wurde nach Gaschurn zum Abwarten weiterer Weisungen geschickt. Zugführer Kretschmer wurde ins Krafthaus gebracht, dort musste er fernmündlich nach Vermunt einen fingierten Befehl des Oberleutnant Fuchs durchgeben, es sei Kapitulation, die Waffen sind zu vernichten, die Mannschaft solle dann nach Parthenen abmarschieren. Dieser Befehl wurde gegeben, damit Oberleutnant Fuchs von seinen Leuten in Vermunt erledigt wird, falls es nicht gelingt, ihn in Parthenen festzunehmen. Sämtliche Fernsprechverbindungen mit Ausnahme vom Krafthaus wurden durchgeschnitten. Oberleutnant Fuchs ist um 7.15 mit dem Schrägaufzug von Tromenier nach Parthenen gefahren und begab sich zur verlassenen Stellung oberhalb des Krafthauses. Er wusste nicht, was los ist und begab sich zur Schrägaufzugtalstation. Dort wurde ihm vom Objektschutzführer Dr. Fussenegger angegeben, dass der Unterfertigte ihn im Krafthaus zu sprechen wünsche. Fuchs ging in Bedeckung von 10 bewaffneten Unteroffizieren der Flak zum Krafthause. Nachdem Fuchs und sein Hauptwachtmeister das Krafthaus betreten hatten, wurde das Tor hinter ihnen zugemacht, sodass seine Begleitung ausgesperrt war. Fuchs und sein Begleiter wurden entwaffnet und in Schutzhaft genommen. Kurz darauf erschienen einige Flaksoldaten und baten, den Schutz des Werkes weiter unter der Führung der Freiheitsbewegung übernehmen zu dürfen, was ihnen gewährt wurde. In Vermunt stellte sich die Flak auch der Freiheitsbewegung zur Verfügung, das Vernichten der Waffen wurde eingestellt. Ein 3.7 cm Geschütz war bereits in den See geworfen, die übrigen Waffen waren ganz.

Als das Montafon von bewaffneten Soldaten und SS-Truppen stark besetzt war, hat die Flak ein Vierlingsflakgeschütz auf einen Lastkraftwagen verladen und in St. Gallenkirch Stellung genommen. Nachdem in der Nähe von Galtür ca. 200 SS-Leute ein Tross von 200-300 Pferden gemeldet wurden, hat die Flak 2 Stück 2 cm Geschütze und einige Maschinengewehre auf der Bielerhöhe in Stellung gebracht. Mit Hilfe der Flak war es unter anderem möglich, in St. Gallenkirch einen SS-Trupp von rund 75 Mann in Schach zu halten. In Gaschurn konnten ebenfalls einem Eisenbahnpioniertrupp die gesamten Waffen abgenommen werden und die Sprengmittel unschädlich gemacht werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch die Mithilfe der Flakmannschaft die Werke und das Tal Montafon von Sprengungen, Brandschatzungen und Kampfhandlungen verschont blieb. Der Mannschaftsstand der Flak betrug bei der Übernahme rund 130 Mann, die Bewaffnung 3 St. 3.7 cm, 2 St. 2 cm Vierling, 6 Stück 2 cm Kanonen und einige schwere Maschinengewehre samt 4 Scheinwerfern.“

 

--

ZItiert nach: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes 8346, Bericht Gemeinde Gaschurn für das Rot-Weiß-Rot-Buch 1946.


Artikelaktionen

30.04.2020