Das Tschaggunser Heilbad

Urmappe Tschagguns

© Montafoner Museen

Im Laufe der Neuzeit wurden im Montafon mehrere Heilbäder betrieben. Diese hatten in erster Linie lokale Bedeutung, doch immer wieder suchten auch Menschen aus entfernteren Gebieten diese Heilquellen auf. So wurde in der Emser Chronik im Jahr 1616 in Bezug auf das Montafon vermerkt: Das Tal „hat etwan vil Berckwerck gehabt, von Silber vnd Eysen, der zeit aber erloschen, hat auch Wasserbäder vnd ander Mineral“.

In Tschagguns befand sich im Gampadelstal das Heilbad „Schönau“, das nachweislich seit dem frühen 17. Jahrhundert unter der Bezeichnung „wildpad zu Tilisuner thal, in der Aw“ in Betrieb war. Damals gab es dort „vier unterschidliche costliche Wässern“. Bei der verwendeten Heilquelle handelte es sich um eine kalte Schwefelquelle und eine eisenhaltige Quelle.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Bad durch eine Lawine zerstört: „Im Jahr 1738 den 23. Februar ist in einem dreitägigen Schneewetter ein überaus großer Schnee gefallen, es ist zu Tschagguns eine Lawine von dem sogenannten Mittager Spitz heruntergefahren, sie hat das Mineral-Baadhaus, Kapellen, nebst einem andern Haus und einer Mülle, zwei Ställe, zwei Kühe, ein Rind, drei Kälber, sieben Stück Schaf, fünf Ziegen und sieben Schweinen bey dem Gätter weggeräumt.“

Nach dem Unglück wurde es jedoch wiederaufgebaut und weiter betrieben. Um 1800 bestand ein großes Bauernhaus, in dessen Kellerräumen Badewannen für den Badebetrieb installiert waren. 1810 wurde der Badmeister Franz Thomas Fleisch wegen seiner Verschwendungssucht entmündigt. Im Jahr 1841 war vermerkt worden, dass die Badeanstalt „größtentheils von Frauen benützt wird“. Wann genau der Betrieb aufgelassen wurde, ist nicht bekannt. Vermutlich endete die Nutzung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.


Bad UrmappeAuf dem Kataster aus dem Jahr 1857 wurde das Heilbad noch eingetragen.


Der Vandanser Schulrat Hans Barbisch erinnerte sich um 1920: „Auf der aussichtsreichen Anhöhe Ziegerberg, eine Wegstunde von der Tschaggunser Pfarrkirche entfernt, stand ein großes Bauernhaus, dessen Kellerräume mit Badewannen ausgestattet waren. Neben dem Hause ein großer Brunnentrog, der schwefelhaltiges Wasser führte. Dies alles ist nicht mehr und das Wässerlein verliert sich still im Wiesengrunde. Kein Mensch denkt dort ein Badehaus zu erstellen. Damals ja, da stapfte so mancher Talbewohner, der an Gicht oder Rheumatismus litt, den Berg hinan, dem Schönauer Burabädli zu.“

Mehreren Sagen zufolge spukte des Nachts ein Badbutz in den Räumlichkeiten. So berichtet eine Überlieferung, dass er angeblich an dem Wasserkessel und an den Badewannen hämmerte. Wenn man ihn suchte, dann konnte es vorkommen, dass man geschlagen wurde. Lediglich eine Badewärterin, die dort sechs Sommer lang arbeitete, blieb von ihm verschont. Auf die Frage, wie das möglich sei, antwortete sie stets: „Nu fließig d’s Gwiwasser ne und wacker bäta!“ Viele Jahre später betrieb eine Familie mit mehreren Kindern das Bad. Eines Tages erkrankte das jüngste Kind und lag im Sterben. Als es auf dem Sterbebett lag kam um Mitternacht eine dunkle Gestalt ans Kammerfenster und rief: „Bald, bald, ist dein Kind erlöst!“ – „Wie Gott will“, seufzte die Mutter, die bei ihrem sterbenden Kind wachte. Tatsächlich verstarb es noch in der Nacht und als am nächsten Morgen das Totenglöcklein läutete, so war eine dumpfe Stimme zu vernehmen, die sprach: „Ich bin erlöst.“

Eine andere Sage lautet folgendermaßen: „Im Bädle Schönau zu Tschagguns hat man vor nicht gar langer Zeit noch den Badbutz gesehen. Nach dem Sagen von Gästen ist es ein Weibsbild in weißen Hemdärmeln und in einer weißen Schoß. Sein Hauptgeschäft hat er mit den Badwannen, die er putzt und fegt, füllt und leert, mit großem Geräusch hin und wider kehrt und deren Zapfen er mit solcher Gewalt aus und ein schlägt, daß das ganze Badgebäude davon erhillt; seine Freude ist es auch, eine oder die andere Tür mit Gewalt zuzuschnellen, daß die Türe gegenüber aus der Klinke fällt. Gäste versichern auch, es habe der Badbutz öfters schon als Brustbild in weißen, aufgeblasenen Hemdärmeln bei offenem Fenster gar zimpfer und zumpfer in die Gaststube hereingeschaut.“


FlurnamenkarteAusschnitt aus der Flurnamenkarte von Tschagguns mit den Bezeichnungen „Bädli“ und „Schönau“

Ein weiteres Montafoner Heilbad bestand – möglicherweise schon seit dem ausgehenden Mittelalter – im Silbertaler Ortsteil „Bädli“ als „Heilbrunnen“. Es handelte sich dabei um eines der seltenen Schwefelbäder, sodass 1687 sogar eine gedruckte „Kurze Beschreibung der Gelegenheit und Ursprung des silberthalischen Heylbrunnens und Bads“ von Ulrich Loretz, dem damaligen Betreiber, herausgegeben wurde. Darin heißt es unter anderem, dass „Gott der Allmächtige dieses Heylwirkende Wasser den Notdürftigen zum besten der Welt gleichsamb mit Gewalt doch als ein barmherzigster Vatter zeigen wollen, in denen vor diesen die Bergknappen aus Überfluss dieses hervorquellende Heylwasser, von ihrem Silber-Aertzt-graben alda abstehen, und solches zu Nutzen und Hilf den Presthaften und Siechen überlassen“.

Bereits damals wurde das Alter des Bades auf „mehrere hundert Jahre“ geschätzt. Für die folgende Zeit fehlen weitere Überlieferungen. Erst aus dem Jahr 1832 liegt wiederum ein Bericht darüber vor, dass der in Schruns tätige Arzt Dr. Huber den Franz Josef Loretz aus Silbertal mittels einer Badekur von einer „schweren Gliedersucht“ heilte. Mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs wurde die Heilquelle 1878 neu gefasst und ein Jahr später eröffnet: „Dieselbe ist eisen-, schwefel- und kupferhältig und leistet vorzügliche Dienste gegen Kopfleiden und wassersüchtige Anschwellungen etc. Gerade in letzter Zeit haben überraschende Heilungen stattgefunden. Nehmen Sie noch dazu die günstige Lage des Badeortes, die Aussicht auf günstige Unterkunft, hübsche Partien, gesunde Luft usw. so kann man sich wohl für die Zukunft einen zahlreichen Besuch versprechen.“

Im selben Jahr kam es zu einem tragischen Vorfall im Bad: Guido Bertle, „ein junger Mann aus einer besseren Familie aus Schruns“, kam zum Übernachten dorthin und wurde mit zwei anderen Gästen aus Lech in einem Zimmer untergebracht. Aus ungeklärter Ursache verriegelte er das Zimmer und als seine Mitbewohner die Tür zu öffnen versuchten, stach er einem von diesen mit dem Messer ins Herz, sodass dieser verstarb. Ein das Silbertal um 1895 besuchender Reiseschriftsteller merkte wenige Jahre später bedauernd an: „Die Quellen des Silberthales sollen ursprünglich viel besucht gewesen sein, und da die Gegend grossartig schön ist, verband man das Schöne mit dem Nützlichen. Schade, dass kein unternehmerischer Geist sich der höchst primitiven Kuranstalt bemächtigt hat, denn Silberthal bietet dem Naturkneiper wundersam viel.“

Im Jahr 1905 wurde der Betrieb schließlich aufgegeben. In dem Haus, das bis heute besteht, waren die Badekabinen und die Holztröge noch länger vorhanden.


Silbertaler BadGebäude, in dem sich einst das Silbertaler Heilbad befand.

Autor: Michael Kasper

Erschienen im Gmesblättli Tschagguns 3/2022 (Nr. 129), S. 22-23.



Mehr über das Thema Heilbäder sowie über zahlreiche andere Aspekte von Krankheit und Heilung ist in der aktuellen Sonderausstellung „krank – heil – gesund. Medizingeschichte(n) aus dem Montafon“ im Montafoner Heimatmuseum Schruns sowie im Museum Frühmesshaus Bartholomäberg zu sehen. 

Zur Ausstellung erschien auch ein gleichnamiges Buch, das in den Montafoner Museen sowie im Buchhandel erhältlich ist.

TItelbild Buch

26.10.2022